Nachruf auf Juliane Noack

von Prof. Daniel Kruger

Geboren 1984 in Halle, begann Juliane Noack ihr Studium in der Schmuckklasse bei Prof. Daniel Kruger an der Burg Giebichenstein/ Kunsthochschule Halle im Jahr 2004. Sie schloss ihr Studium 2012 ab und erhielt dann den internationalen Graduierten-Preis der Galerie Marzee. Im darauffolgenden Jahr zog sie nach Leipzig und richtete dort ihr Atelier ein.

Neben ihrer Schmuckkunst umspannten Julianes Interessen Musik, experimentelle Mode und Design sowie figürliche Skulptur. Als exzellente Zeichnerin hatte Juliane die ungewöhnliche Gabe, Fähigkeiten aller Art zu verstehen und umzusetzen. Sie konnte ausführen was immer sie wollte und sparte dabei niemals an Zeit oder nötiger Mühe. Die gleiche intensive Energie, die sie für ihre künstlerischen Unternehmungen aufbrachte, wandte sie auf das Leben im Allgemeinen an. Ihr Motto war: “Los, wir machen das jetzt“.

Juliane war die treibende Kraft hinter einer Reihe von Kunstprojekten im öffentlichen Raum. Diese versuchten den Kontext der Kunst zu erweitern oder neu zu definieren und mit Menschen in einen Dialog zu treten. Sie war Mitgründerin des “herr fleischer e.V.“, eines Kunst- und Projektraumes in einem aufgegebenen Zeitungskiosk in Halle. Dort schnitt sie beispielsweise Haare auf dem Bürgersteig vor dem Kiosk unter dem Motto “Hair Fleischer“.

In diesem Lichte sollten ihre Arbeiten gesehen werden; sie war jemand, der Interaktion suchte und provozierte – zwischen sich und Anderen oder zwischen Menschen im Allgemeinen, eine Aktion oder ein Instrument benutzend um eine Reaktion zu erreichen.

In einer Serie von Studienarbeiten (Flash Gordon, Hank, 2010) gestaltete sie menschliche Torsi in Form von in Silber getriebenen Unterhemden. Diese Hemden tragen die Konturen der Körper die diese (nicht) enthalten und erinnern so an den “Unsichtbaren Mann“. Die Art der Kleidung und die implementierte Körperhaltung legen Charaktertypen oder Persönlichkeiten nahe, ohne sich direkt auf eine Person zu beziehen. Das ist ein Thema, das Juliane verfolgte und das sie auf verschiedene Weise variierte. Sie fertigte eine Serie von sorgfältig ziselierten kupfernen Tierringen mit den Köpfen eines Wildschweines (2010), einer Bulldogge (2009) und eines Raben (2011). Jeder dieser Köpfe sitzt auf dem Finger des Trägers wie ein offizielles Würdezeichen.

Das Tier ist hier eine Metapher, deren Eigenschaften der Träger herausgreift und mit sich in Verbindung bringt. Als Symbole implizieren sie weder eine Bedrohung für Andere noch eine Aufwertung des Trägers. Stattdessen umfassen sie sowohl positive als auch negative Aspekte, die die Person mit sich verbindet; gleichermaßen ablenkend, als auch den Träger entlarvend.

Das führte weiter zu realistischen und expressiven Stücken, die in Wachs modelliert und dann in Aluminium gegossen wurden. Eine fast lebensgroße Katze, die als Armreif wie ein Haustier, wie ein Begleiter getragen werden konnte, entstand 2012. Tiere, wie der Hasenring werden Symbol und deuten die Persönlichkeit des Trägers an; oder der große Hummer, der wie manche Haustiere auf der Schulter drapiert ist und den Träger bei seinen täglichen Aufgaben begleitet.

Gesehen aus dem Blickwinkel ihrer Aktivitäten in öffentlichen Räumen und ihren Äußerungen über ihre Absichten, bemerkt man, dass ihr Anliegen in der Kommunikation liegt und dass ihre Arbeiten dazu einladen, ja zur Interaktion mit dem getragenen Stück ermutigen, Indiskretionen und persönliche Bemerkungen vermeiden und so einen Dialog ermöglichen, der das Kunstwerk zum Gegenstand hat und nicht den Träger.

Eine der letzten Arbeiten Juliane Noacks war eine Gruppe von vierundzwanzig Tiermasken, die aus Kupferblechen identischer Größe (16x16cm) gefaltet wurden und zusammen eine Wandinstallation bilden. Es sind schematische Darstellungen von Tiergesichtern. Das Objekt wurde vom Träger losgelöst und wurde so zu einer Charakterstudie die unvoreingenommen zu betrachten ist. Aus identischen Quadraten tauchen verschiedene Physiognomien auf.

Einige davon sind einfach zu identifizieren, andere sind rätselhafte abstrakte Formen. Kupfer ist ein warmes und leitfähiges Material, das mit der Zeit mit der Atmosphäre reagiert. Das, was zusammen mit dem Prozess des Faltens den Stücken ihre Form und ihre Persönlichkeiten gibt, verweist auf das “Ins-Leben-kommen”, auf das Schicksal, die Evolution und die Fülle der Menschheit.

Wo diese Reise Juliane und all die Menschen, die ihr nahe waren und die von ihr inspiriert wurden, hingeführt hätte, werden wir nicht mehr erfahren. Juliane Noack starb tragisch bei dem Flugzeugunglück am 24. März 2015. Sie war 30 Jahre alt.

Ihre Arbeiten wurden in einer Reihe von nationalen und internationalen Gruppenausstellungen, sowie auf zwei Einzelausstellungen in Halle gezeigt.

Sie ist in den öffentlichen Sammlungen des CODA Museums Apeldoorn (Niederlande) repräsentiert. Eine geplante Ausstellung ihrer Arbeiten bei der Galerie Eitner in Berlin wird nun zu einem späteren Zeitpunkt als Retrospektive stattfinden.

Ab dem 24. Juli diesen Jahres wird es im Bayrischen Kunstgewerbeverein München eine Sonderausstellung der “Portrait”-Reihe zu ihr und ihrer Arbeit geben, die in Verbindung mit der Gruppenausstellung “Wo alles anfängt” steht – eine Rückschau auf Arbeiten von Studenten, Alumni und Lehrenden, die der Schmuckklasse Prof. Daniel Krugers an der Burg Giebichenstein in Halle verbunden sind.

Curriculum Vitae

1984

Geburt in Halle

2004-2012

Studium der Plastik im Fachgebiet Schmuck an der Burg Giebichenstein, Kunsthochschule Halle (Diplom)

2007

Arbeitsaufenthalt & Präsentation in der Städtischen Galerie Wolfsburg sowie Arbeit im Prehistorischen Museum Halle

2009

Studienaufenthalt an der Estnischen Kunstakademie Tallinn (EKA)

2009

Mitgründung des hr.fleischer e.V., Kunst & Projektraum KIOSK am Reileck

2013

Arbeitsstipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt & der „Kloster Bergesche Stiftung“

seit 2014

lebt und arbeitet als Freie Künstlerin in Leipzig

24.03.2015

Tod in Frankreich

Zitate

Juliane Noack.
Ihre Initialen sind Programm.
J & N
Ja & Nein – nicht Jein.
Mit ihren Arbeiten sagt Sie Ja zu Schmuck und Nein zur Skulptur.
Oder andersherum?

Lukas Adolphi

Häutungen
Verwandschaft nachspüren
Totem Tierseele
Dingwerdung
Jagen und Sammeln
Mystisches Bündnis
Artefakt

Martin Buhlig

Gekonnt zeitlos, brilliant unbekümmert, versetzt mit ernsthaftem Humor, so steht das Oevre von Frau Noack vor mir – Als ob die Tiere den Wald verließen um sich jeder nur erdenklichen Technik zu öffnen und sich für Ihre Vorhaben zu erschließen. Warum nicht?, möchte man meinen. Und ob es sich bei dem Entstandenen um Schmuck, Skulptur oder was auch immer handelt, scheint bei der eleganten Reduktion auf das Wesentliche eh nicht wichtig.

Hannes Uhlenhaut

Artikel und Veröffentlichungen

„Ein Haus voller Erinnerungen“ von Massimo Rogacki

Volksstimme

25.03.2020

Zum Artikel

„Fünf Jahre nach Absturz der Germanwings. Juliane-Noack-Förderverein zieht Bilanz“ von Jonas Nayda

Mitteldeutsche Zeitung

24.03.2020

Zum Artikel

„Ringlein an der Wand Meisterschülerin erklärt ihr besonderes Verhältnis zu Schmuck“ von Jonas Nayda

Mitteldeutsche Zeitung

11.12.2019

Zum Artikel

„Juliane Noacks Vermächtnis“ von Juliane Just

Mageburger Volksstimme und Volksstimme Online

29.07.2017 und 30.07.2017

Zum Artikel

„Tod und Verklärung“ von Florian Zinnecker

Süddeutsche Zeitung Magazin Online

24.03.2017

Zum Artikel

„Tod und Trauer – vom Umgang mit dem Verlust“

SWR Nachtcafé 

10.02.2017

Zur Sendung

„Das Tier im Blick: In Erinnerung an Juliane Noack“

MDR Kultur Online

09.09.2016

Zum Artikel

„Kunststiftung erinnert nach Flugzeugtragödie an Künstlerin“

Monopol. Magazin für Kunst und Leben

01.09.2016

Zum Artikel

„Leben nach dem Germanwings Absturz“ von Christoph Dorner

Süddeutsche Zeitung

24.03.2016

Zum Artikel

„Un an après“ (Ein Jahr danach)

Canal+ (Frankreich)

24.03.2016

Zum TV-Beitrag (in französischer Sprache)

„Wie Angehörige der Opfer trauern“

Tagesspiegel

24.03.2016

Zum Artikel

„Ein Jahr nach Germanwings-Absturz. Stiftung in Gedenken an Juliane Noack spendet Trost“

Mitteldeutsche Zeitung

24.03.2016

Zum Artikel

„Ein Jahr nach Germanwings-Absturz. Stiftung in Gedenken an Juliane Noack spendet Trost“

Naumburger Tageblatt

23.03.2016

Zum Artikel

„Kunst ist etwas, das bleibt.“

MONOPOL – Magazin für Kunst und Leben

17.12.2015

Zum Artikel 

„Stiftung soll an Opfer erinnern“

Volksstimme

13.12.2015

Zum Artikel

„Opferangehöriger David Nowak gründet Stiftung für Künstler“

stern-online

09.12.2015

Zum Artikel 

„Menschen, Bilder, Emotionen – Jahresrückblick mit Günther Jauch“

RTL

06.12.2015

„Die Idee von Schmuck“

MDR Figaro

01.12.2015

„Katastrophen – Der Germanwings Absturz“

n-tv

01.12.2015

„Von einer Familie, die es nicht gab. Das 150. Opfer“

Kerstin Herrnkind

Stern Nr.49

26.11.2015

über Gründung des Fördervereins zum Aufbau einer Juliane Noack Künstlerförderung e.V.

Kulturjournal MDR Figaro

26.11.2015

„Stiftung für Germanwings-Opfer aus Halle wird aufgebaut“

Mitteldeutsche Zeitung

26.11.2015

Zum Artikel

über “It’ no jewellery, it’s art” & “Wo alles anfängt” in München 24.7.-5.9.2015

Bayerischer Rundfunk B5 aktuell

24.7.2015

“Gutes von der Burg”

Süddeutsche Zeitung

23.07.2015

“Ein Kunststipendium zum Gedenken”

MDR Figaro

24.07.2015

“Los, wir machen das jetzt”

von Jürgen Kleindienst

Leipziger Volkszeitung

17.04.2015

“Kunst stirbt nicht”

von Agata Waleczek

ART AUREA online

17.04.2015

Zum Artikel

“Artist Juliane Noack among the victims of fatal Germanwings plane crash”

von Hili Person

Artnet News

15.04.2015

Zum Artikel

“Künstlerin unter den Germanwings Opfern. Juliane Noack mit 30 Jahren gestorben”

Monopol Magazin Online

13.04.2015

“Zum Gedenken an Juliane Noack”

von Prof. Daniel Kruger, ins dt. übersetzt von Katrin Eitner

Burg Giebichenstein/Kunsthochschule Halle

13.04.2015

Zum Artikel

“Ein Nachruf auf Juliane Noack”

von Daniel Kruger

in der englischen Fassung zuerst veröffentlicht im Art Jewelry Forum

07.04.2015

“In Memoriam Juliane Noack. 1984-2015″

CODA Museum Apeldoorn, NL

“Ausstellung in Dessau. 31 Künstler zeigen ihre Werke bei der sechsten Brau-Art”

von Andreas Behling

Mitteldeutsche Zeitung

08.09.2014

Zum Artikel

“Off-Spaces: hr. fleischer”

Fragen beantwortet von Juliane Noack

Art Magazin Online

15.06.2011

Zum Artikel

“kunstkiosk hr. fleischer”

mit Juliane Noack und Lukas Adolphi

30. Sendung Uni-TV Halle

02.06.2011

Zum Video